Marburg: Lebendiges Mittelalter und ein junger Geist

Altstadt über dem Lahntal: Krumm, buckelig, verwinkelt und steil

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»Ich glaube, es sind mehr Treppen auf der Straße als in den Häusern.« Mit dieser Aussage über Marburgs Altstadt, malerisch oberhalb des Lahntals gelegen, dürfte Jacob Grimm recht haben. Die Oberstadt ist krumm, buckelig, verwinkelt und steil, unzählige Treppen und Gassen sind das Kennzeichen der hessischen Universitätsstadt. Hier ist das Mittelalter lebendig, und dennoch weht ein frischer Geist durch die alten Häuserzeilen.

Fachwerk in allen Variationen in Marburgs AltstadtLiebevoll restauriertes Altstadthaqus in der Wettergasse

















Lob verdienen die Verantwortlichen der rund 85.000 Einwohner-Stadt für ihre Bemühungen, die über die Jahrhunderte nahezu unveränderte Altstadt konsequent und behutsam zu erhalten. Alte Bausubstanz wird, soweit das möglich ist, saniert oder wieder hergestellt. NeubautenDie Reitgasse in Marburgs Altstadt fügen sich mit ihrer Architektur gut in die Nachbarschaft aus Fachwerk- und Bürgerhäusern ein. Dieses Engagement gilt in der Bundesrepublik als vorbildlich und wurde, so ist in der Internet-Präsenz der Stadt nachzulesen, bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Welche ein Glück, dass Marburg den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstanden hat! So gibt es angesichts einer mehr als 1000-jährigen Geschichte für den Städtereisenden in Marburg viel zu entdecken.

Geschichtliches

A Zwei Namen sind für die Stadtgeschichte von wesentlicher Bedeutung: Landgräfin Elisabeth von Thüringen und Landgraf Philipp der Großmütige. Elisabeth, Tochter desKönigs von Ungarn, wurde im Alter von zwölf Jahren mit dem thüringischen Landgrafen Ludwig IV. verheiratet. Als dieser 1227 in Italien auf dem Kreuzzug ins Heilige Land starb, verließ sie 1228 die Wartburg in Eisenach und wählte Marburg als Witwensitz. Schon zuvor waren Frömmigkeit und selbstlose Fürsorge für Arme und Kranke ihr Lebensziel. Daher ließ sie in Marburg ein Hospital bauen, in dem sie sich der Pflege von Kranken und Gebrechlichen aufopferungsvoll widmete. Alt geworden ist die fromme Gönnerin jedoch nicht – sie starb bereits 1231 im Alter von nur 24 Jahren. Bereits vier Jahre später wurde sie heilig gesprochen und ihre Gebeine im Beisein des Deutschen Keisersin einen goldenen Schrein gebettet. Der Deutsche Orden begann sogleich mit dem Bau einer Kirche über ihrem Grab. Die Elisabethkirche zählt zu den schönsten gotischen Bauten in Deutschland. Der Schrein mit den Gebeinen der Heiligen ist prunkvollste Sehenswürdigkeit der Kirche.

Eine Statue am Markt erinnert an Sophie von Brabant und ihren Sohn Heinrich Elisabeths Tochter Sophie von Brabant wurde durch den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt zu einem bedeutungsvollen Schritt veranlasst: Sie ließ 1248 Marburger Bürgerschaft und Adel ihrem dreijährigen Sohn Heinrich huldigen und begründete damit das Land Hessen. Eine Statue auf dem Marktplatz in der Altstadt erinnert an dieses historische Ereignis.

Landgraf Philipp der Großmütige legte mit der Übergabe der durch die Reformation leer gewordenen Klöster an die »Hohen Schule« den Grundstein für die erste protestantische Universität. Elf Professoren und 84 Studenten waren es einst, die hier lehrten und lernten. Heute ist die Philipps-Universität mit etwa 18.000 Studenten und mehr als 7000 Beschäftigten wichtigster Wirtschaftsfaktor der Stadt. Berühmte Blick auf die alte UniversitätsMänner wirkten als Lehrende oder Studierende an der Marburger Uni, darunter der Chemiker und Nobelpreisträger Robert Bunsen, der Erfinder der Dampfmaschine, Denis Papin, der russische Dichter Boris Pasternak und der ehemalige Bundespräsident Gustav Heinemann. 2004 feierte Marburg den 500. Geburtstag Philipps, der am 13. November 1504 auf dem Landgrafenschloss hoch über den schiefen Dächern der Altstadt das Licht der Welt erblickte und immer wieder hier residierte. Magnanimus, der Großmütige, galt in seiner Zeit mit seinem alle Grenzen überschreitenden Engagement für den Protestantismus als einder der bedeutendsten Verbündeten Martin Luthers. Als gefährlichster Anführer der im Glaubenskriegeskalierenden »Luthersache« wurde Philipp fünf Jahre lang gefangen gehalten.

Hoch über der Lahn gelegen: Die Altstadt Marburgs vom Landgrafenschloss aus gesehen















Stadtbummel

Ausgangspunkt für den folgenden Stadtbummel ist der Hauptbahnhof links der Lahn. Über den Fluss hinweg und unter Bundesstraße 3 hindurch geht es zunächst die Bahnhofstraße an verschiedenen Geschäften entlang. Portal der ElisabethkircheFast unbemerkt passiert der Besucher zwei Kanäle, Mittelwasser und Schwarzes Wasser, die wenige Meter Lahnaufwärts vom Hauptstrom abzweigen. Wer an der folgenden Abzweigung links die Elisabethstraße hinauf blickt, wird schon die hoch aufragenden Türme der Elisabethkirche sehen. Es handelt sich um die älteste rein gotische Kirche Deutschlands. Hinter dem imposanten Portal verbirgt sich eine einzigartig harmonisch proportionierte Hallenkirche mit Dreikonchenchor. Zu den Sehenswürdigkeiten in dem Gotteshaus zählen der goldene Schrein (um 1250), in dem die Heilige Elisabeth ihre letzte Ruhestätte gefunden hat, und der schöne Johannes-Altar.

Michelchen nennen die Marburger diese kleine Kirche Gegenüber der Elisabethkirche führen einige ausgetretene Stufen zwischen zwei alten Fachwerkhäusern hinauf zur St. Michaelskapelle. Das im Volksmund »Michelchen« genannte Kirchlein wurde 1270 errichtet und liegt heute beinahe verschlafen auf dem Gelände eines alten Pilgerfriedhofes.

Roter Graben / Steinweg

Überquert man die große Kreuzung Elisabethstraße-Deutschhausstraße-Pilgrimstein-Ketzerbach und biegt sodann in die schmale Gasse parallel zur Hauptstraße (Pilgrimstein) ein, taucht man Schnitzerei anno 1908 über einen Ladeneingangein in das alte Marburg. In der Verlängerung führen zwei Gassen konstant bergan. Egal, ob via Steinweg oder Roter Graben, schon hier wird der aufmerksame Besucher viele interessante Details an den alten Häusern entdecken – Fachwerkschmuck in allen Varianten, spitze Giebel, Erker, Fassadenschmuck oder Schnitzereien wie die über einem Brillengeschäft in der Gasse namens Neustadt, zu der sich Steinweg und Roter Graben vereinigen.

Schräg und verwinkelt: Gasse in Marburgs AltstadtSchräg und verwinkelt: Gasse in Marburgs Altstadt

















Broncefigur »Unser Christian«

»Unser Christian«

Wenige Meter weiter, dort wo sich Neustadt und Renthof treffen und den Übergang zur Wettergasse bilden, steht eine fast unscheinbare Broncefigur, die den Dienstmann Christian, ein stadtbekanntes Original darstellt. Viele kleine Geschäfte, Kunsthandwerkerläden, Galerien, Boutiquen und Antiquariate säumen die Wettergasse. Besonderes Augenmerk sollte der Marburg-Besucher auf das erst 2004 restaurierte Fachwerkhaus an der folgenden »Kreuzung« mit einer steilen Treppen-Gasse. Ebenfalls in der Wettergasse zu entdecken: Ein schön verzierter Eingang zu einem Tee-Geschäft. Sehenswerter Eingangsschmuck eines Tee-GeschäftesDer Phantasie des Betrachters sind beim Anblick der geschnitzten Figuren keine Grenzen gesetzt. Die Gefache in einem weiteren Gebäude der Wettergasse geben dem Besucher folgende wohl meinende Weisheit mit auf den Weg: »Mit Seife mißt man die Kultur – Drum bad und reib und seif dich nur«.

Weisheit in der Wettergasse



















Landgrafenschloss

Vom Landgrafenschloss erhielt die Stadt Marburg ihren Namen















Von der Wettergasse abzweigend führt zunächst eine steile Gasse mit Treppen, dann die Landgraf-Philipp-Straße hinauf zum Landgrafenschloss. Die gotische spätgotische Doppelschlossanlage mit Renaissanceanbauten und vorgelagerten Befestigungsanlagen war Gründungsresidenz des hessischen Landgrafenhauses. Das Landgrafenschloss oberhalb der AltstadtDie imposante Anlage bekrönt auf dem so genannten Gisonfelsen gelegen die Stadt. Im Innern dieser vielgestaltigen Burg gibt es Jahrhunderte alte Geschichte zu bestaunen. Ein großer Teil des Landgrafenschlosses befindet sich heute in Besitz der Universität und beherbergt das Universitätsmuseum für Kulturgeschichte. Dazu zählt unter anderem auch ein ganz besonderes Exponat: die Schwangeren-Anatomie: Exponat im Museum im Landgrafenschlossfein gearbeitete anatomische Figur einer Schwangeren. Deren Bauchdecke liegt daneben und gibt den Blick auf das Körperinnere frei. Ein Rundgang durch das Museum (geöffnet dienstags bis sonntags von April bis Oktober von 10 bis 18 Uhr sowie von November bis März von 11 bis 17 Uhr) lohnt ebenso, wie ein Bummel um das Schloss herum.

Blick vom Landgrafenschloss über die Dächer der Altstadt















Hexenturm und Jungfrau

Blick auf den Kirchturm der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien Wenige Schritte sind es von der Schlossanlage hinunter in die der Altstadt abgewandten Richtung, dann ist der Hexenturm erreicht. Dieser war einst Teil der Befestigung von Burg bzw. Schloss und kann heute ebenso wie die Schlosskasematten besichtigt werden. Von der Landgraf-Philipp-Straße, unweit eines sehr interessanten Brunnens im Mauerwerk zweigt ein Treppenweg ab, der auf die Lutherische Pfarrkirche St. Marien zuführt. Es heißt, der schiefe Turm der Lutherischen Pfarrkirche werde erst wieder gerade, wenn eine Studentin als Jungfrau die Uni verlässt.

Markt und Rathaus

Von Fachwerkhäusern gesäumt: der Markt in Marburgs Altstadt















Folgt man nun der Gasse namens Schneidersberg hinab und biegt in der Barfüßerstraße links ab, gelangt man zum Markt. Der zentrale Platz der Altstadt ist umgeben von hohen Fachwerkhäusern und wird dominiert vom markanten Imposant: Das spätgotische Rathaus am MarktRathaus. Das Relief über dem Eingangsportal trägt der Bedeutung der Heiligen Elisabeth für die Stadt Rechnung. Es war zunächst der einzige Schmuck des spätgotischen, von 1512 bis 1525 errichteten Gebäudes. Der filigrane Renaissance-Giebel über dem Treppenhaus wurde erst mehr als fünf Jahrzehnte später, 1581, errichtet. Die Kunstuhr im Rathaus-Giebel verdient ebenfalls Beachtung: zur vollen Stunde kräht der Hahn, bläst der Wächter und dreht der Tod die Sanduhr.

Alte Universität

Ein Stückchen unterhalb des Rathauses befindet sich der Komplex der Alte Universität. Von Landgraf Philipp 1527 gegründet war sie die weltweit erste protestantische Universität. Die Alte Universität wurdeGlasrosetten in der Alten Universität 1872 bis 1891 auf den Grundmauern eines Dominikanerklosters aus dem späten 13. Jahrhundert erbaut. Sehenswert im Innern des Komplexes ist die Alte Aula und die Universitätskirche. Auf den Gängen sind Porträts einstiger Lehrkräfte zu sehen, fotogen sind schließlich auch die Glasrosetten.

Oberstadtaufzug / Informationen

Nur durch ein Schild markiert ist der Zugang zum Oberstadtaufzug, der die am Hang liegende Reitgasse in der Altstadt mit der modernen Welt auf der unten liegenden Hauptstraße Pilgrimstein verbindet. Hier liegt auch die Tourist-Information der Stadt, bei der sich Interessierte nach verschiedenen Stadtführungen erkundigen und sich Info-Material besorgen können. Infos über Marburg gibt es außerdem im Internet zum Beispiel unter folgender Adresse:

Homepage der Stadt Marburg

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