Eindringliche Eindrücke: Vietnams Kriegsvergangenheit

Tunnelsystem von Cu Chi und War Remants Museum in HoChiMinh-City

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Wer in Vietnam von zwei Indochina-Kriegen gezeichnete, Fremden gegenüber reservierte Menschen erwartet, wird sehr schnell eines Besseren belehrt. Die Vietnamesen, denen der aufgeschlossene Urlauber auf dem Land und in den quirligen Metropolen Hanoi und HoChiMinh-City (Saigon) begegnet, sind zäh, fleißig, überaus freundlich, offenherzig und hilfsbereit. Bedenkt man, dass hier zwei Kriege getobt und ihre Spuren hinterlassen haben, kann man die Menschen in Vietnam nur bewundern, wie sie damit umgehen: nüchtern, offen und wie es scheint keinesfalls anklagend.

Viele Zugänge zu den Tunneln sind nicht zu erkennen
















Selbst wer nicht sattelfest in Sachen Indochina-Kriege ist und den Vietnamkrieg bislang meist aus der Brille der Amerikaner oder von Streifen made in Hollywood zu kennen glaubt, sollte sich vor Ort mit den Greueltaten der Kriege auseinandersetzen. Das ist man den stolzen Vietnamesen schuldig – vor allem den Opfern. Zwei Möglichkeiten, mehr über Vietnams bittere und leidvolle Geschichte zu erfahren, werden an dieser Stelle vorgestellt. Weitere Gedenkstätten oder Museen findet man fast überall im Land.

Originalschauplatz im Untergrund

Zu den bekanntesten und touristisch aufbereiteten Originalschauplätzen zählt das riesige, rund 250 Kilometer lange Tunnelsystem in Cu Chi, etwa 40 Kilometer westlich von HoChiMinh-City (Saigon). Dabei handelt es sich um ein ausgeklügeltes, gut getarntes System aus Stollen im Untergrund. Angelegt wurde das gigantische Labyrinth aus Gängen bereits in den späten 40-er Jahren des 19. Jahrhunderts während der Besatzung durch die Franzosen. Bauernfamilien brachten hier sich und ihre Vorräte in Sicherheit und Widerstandskämpfer hatten hier ihre Lager für Waffen und Munition. Später organisierten die Vietnamesen von hier aus ihren Widerstandskampf gegen die Amerikaner. Die ahnten seinerzeit zunächst nicht, dass direkt unter ihren Füßen der Vietcong agierte.

Tödlich: »Agent Orange« und Fallgruben

Als die Amerikaner die Existenz der Tunnel entdeckten, versuchten sie vergeblich sie einzunehmen. Man ging nicht gerade zimperlich zu Gange und setzte unter anderem das Entlaubungsmittel »Agent Orange«, Rauch und schweres Gerät ein, um das Untergrundnetzwerk zu zerstören. Offenbar waren den Amerikanern jedoch dessen Dimensionen nicht klar. Immerhin reichen einige der Gänge bis vor die Tore von HoChiMinh-City (Saigon) und zum Mekong. Allen amerikanischen Aktionen zum Trotz wurden lediglich kleine Teile des Untergrundnetzwerkes beschädigt.

Die Vietnamesen setzten sich den Angriffen nicht weniger brutal zur Wehr: mit Fallgruben, in denen Eindringlinge auf Speerspitzen den Tod fanden, oder mit anderen einfallsreichen und mörderischen Fallen. Auch die deutschen Schäferhunde, welche von den Amerikanern zum Erkunden der Untergrundgänge eingesetzt wurden, führten nicht zum erhofften Erfolg. Sie wurden von den Vietnamesen mit Seife, Pfeffer und Chilli quasi »an der Nase herumgeführt«.

Drei Etagen unter der Erde

Die obere Bodendecke des Untergrundnetzwerks ist zwischen drei und vier Meter dick. Es trägt nach offiziellen Angaben das Gewicht eines 50-Tonnen-Panzers und hält leichten Kanonen- und Bombeneinschlägen stand. Die Tunnels erstrecken sich auf bis zu drei Stockwerke tief in den Lehmboden. Die untersten Ebenen in acht bis zehn Meter Tiefe gelten als uneinnehmbar. Neben unzähligen Sogar ein »Krankenhaus« gab es unter der ErdeVerbindungsgängen und versteckten Ein- und Ausgängen gab es hier Schlafquartiere für die Widerstandskämpfer, Kommandozentralen, Lazaretten, Depots, Vorratslager und Feldküchen. Der verräterrische Rauch der Kamine wurde mehrere Hundert Meter weit entfernt abgeleitet. Die Stollen sind durchschnittlich 0,5 bis 1 Meter breit – gerade groß genug, um in gebückter Haltung hindurchzukriechen.

Präsentation für Touristen

Heute sind Teile des Tunnelsystems für Besucher zugänglich. Die Touristen erhalten zunächst im Besucherzentrum von Cu Chi grundlegende Informationen über die Anlagen und sehen einen Videofilm mit Originalaufnahmen des Widerstandskampfes. Dieser vermittelt eindrucksvoll, unter welch brutalen Verhältnissen auch die Zivilbevölkerung im Untergrund Zuflucht suchen und leben musste. Auf einem Plan an der Wand werden die Dimensionen der Tunnel deutlich.

Anschließend begleiten Veteranen des Widerstandskampfes die Besucher durch ein lichtes Wäldchen vorbei an tiefen Bombenkratern. Im Halbkreis um den Guide herum stehend, wird dessen Erläuterungen gelauscht. Just in diesem Moment hebt sich wie von Geisterhand ein etwa ein auf ein Meter großer Teil des mit Laub bedeckten Waldbodens und ein junger Vietnamese grinst die verblüfften Touristen an. Die Überraschung ist geglückt – nun versteht jeder, wieso es für die Amerikaner so schwer war, die Zugänge zu den unterirdischen Gängen zu entdecken.

Angepasst auf europäische Maße

Küche im Untergrund Die Zugänge zu den Tunneln sind komfortabel ausgebaut. Und auch jene Bereiche, in die die Touristen aus aller Welt – übrigens auch aus Amerika – vordringen, sind eigens auf europäische Körpermaße angepasst. Nur ein ganz klein wenig muss man sich bücken, um den ausgehöhlten und in diesen Bereichen gut beleuchteten Gängen voran zu kommen. Der Rundgang macht unter anderem in der ehemaligen Kommandozentrale Station. An einem langen Holztisch sitzen fotogen fast lebensechte Puppen. Weiter geht es in das Lazarett mit dem von einem Tarnnetz beschirmte Operationstisch, dann noch ein Blick in eine der Untergrundküchen, und weiter in einen auf den ersten Blick leeren Erdraum. Der Guide weist auf eine Ecke, in der eine Fallgrube mit senkrecht aufragenden Speeren zu sehen ist.

Nichts für Menschen mit Platzangst

In einem weiteren unterirdischen Raum wird den Touristen Tee serviert. Dann kann man sich entscheiden, ob man noch einen etwa 100 Meter langen, unbeleuchteten Original-Tunnel in der zweiten Ebene einsteigen will. Der Guide warnt: das ist nichts für Menschen mit Platzangst, und schon gar nichts für beleibte Personen oder Leute über 1,80 Meter Größe. Kam man bislang gut und verhältnismäßig bequem voran, so muss man in diesem Teil schon den Kopf zwischen die Knie nehmen und den Allerwertesten nah am Boden halten. Man spürt, wie Fledermäuse über einen hinweg huschen. Angesichts der Dunkelheit, die einen schon nach der ersten Kurve einhüllt, versuchen manche mit aufgeregten Kommentaren den Kontakt zum Vordermann nicht zu verlieren. Nein, allein will man in diesem finsteren, engen und brütend heißen Labyrinth drei Meter unter der Erde nicht sein. Wieder eine Biegung weiter ist ein schwacher Lichtschein zu sehen – dort warten schon die Großen und die Dicken auf den mutigen Teil der Gruppe. Strategisch günstig werden hier erfrischende Getränke angeboten. Kaum einer der Verschwitzten, die aus dem Loch im Boden emporsteigen, verschmäht die Offerte.

Für Touristen hergerichteter Zugang zum Tunnelsystem Im Anschluss an die Untergrundtour haben Kriegsfans dann noch Gelegenheit, auf einem Schießstand in der Nähe in die Gegend zu ballern – pro Schuss kostet das zweifelhafte Vergnügen einen US-Dollar. Oder aber man schaut sich noch die Ausstellung von selbst gebastelten Waffen und Verteidigungsfallen an. Das ist allemal beeindruckender und interessanter. Die vielen Varianten der Fallen sind nicht nur äußerst brutal, sondern auch mehr als einfallsreich.

War Remants Museum
in HoChiMinh-City (Saigon)

Unbedingt zu empfehlen ist der Besuch des War Remants Museum in HoChiMinh-City (Saigon). Eindrücklich werden hier die Grausamkeiten der Kriegsverbrechen präsentiert. Neben den Verbrechen der Franzosen und Chinesen gegenüber dem vietnamesischen Volk nimmt die Darstellung der amerikanischen Greueltaten den breitesten Raum ein.

Zahlen des Schreckens

Ein Faltblatt nennt erschreckende Zahlen, die hier in Auszügen unkommentiert wiedergegeben werden. 6,5 Millionen junger Amerikaner wurden in den Vietnamkrieg geschickt. 7.850.000 Tonnen Bomben aller Arten wurden über Vietnam abgeworfen, darüber hinaus wurden 75.000.000 Liter Chemikalien (einschließlich Dioxinen wie das berüchtigte »Agent Orange«) über Feldern, Farmland, Wäldern und Dörfern in Südvietnam versprüht. Zum Vergleich: im Zweiten Weltkrieg warfen die Amerikaner 2.057.244 Tonnen Bomben über verschiedenen Schlachtfeldern ab. Etwa 3 Millionen Vietnamesen wurden getötet und rund vier Millionen verletzt.

Das War Remants Museum veranschaulicht, was diese Zahlen des Schreckens kaum auszudrücken vermögen. Ein Ausstellungsraum ist ausschließlich den Massakern und Folterungen gewidmet. Zahlreiche Bilder und Exponate sprechen eine deutliche Sprache und sind nichts für sanfte Gemüter. Grausige Szenen von Leichenbergen und Napalm-Opfern sind da auf Fotos der Nachwelt erhalten geblieben. Die Auswirkungen des Dioxin-Einsatzes werden drastisch an konservierten Föten und Missgeburten gezeigt. Eine weiterere Abteilung des Museums stellt die persönlichen Schicksale von Überlebenden dar – größtenteils gezeichnet von ihren schwersten Verletzungen. Des weiteren werden Medienberichte und Erinnerungen von Kriegsteilnehmern sowie Original-Filmmaterial gezeigt. Schließlich wurden im Innenhof Panzer, Hubschrauber, Bomben und Geschütze zusammengetragen.

Tigerkäfige

Hinter einer Mauer befinden sich die berüchtigten Tigerkäfige von Poulo Condore (Con Dao). Wer hier eingesperrt war, verlor den letzten Rest an persönlicher Freiheit. Tag und Nacht waren die Gefangenen unter den Augen des Wachpersonals, das auf der Mauerzinne auf und ab patroullierte. Durch die Gitterstäbe standen die Häftlinge stets unter Beobachtung.

Buch-Tipp und Informationen:

A usführliche Hintergründe über die Indochinakriege liefert Peter Scholl-Latur in seinem Buch »Der Tod im Reisfeld«. Informationen zu Cu Chi und anderen Schauplätzen der Kriege gibt es im Internet zum Beispiel unter folgender Adresse:

Homepage des Tourismusbüros Vietnam (engl.)

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